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CVI – Was Sie darüber wissen sollten


Das Sehvermögen ist ein komplexes Thema. Sehen erfordert (1) die Fähigkeit der Augen, visuelle Informationen zu empfangen, (2) die Fähigkeit des Gehirns, die visuellen Informationen kombiniert und gleichzeitig mit anderen sensorischen Informationen zu verarbeiten, und (3) die Motivation, das Sehsystem zu benutzen.

Alle Menschen mit CdLS sollten augenärztlich oder optometrisch untersucht werden, um soweit möglich den Zustand der Augen und den Erhalt der visuellen Informationen zu bestimmen und/oder um festzustellen, ob bestimmte Aspekte operativ, durch eine Brille und/oder andere Maßnahmen gemindert werden können. Denn schließlich sind die Augen das einzige Organ, das visuelle Informationen aufnimmt.

Es ist jedoch das Gehirn, das die Informationen verarbeitet und es uns ermöglicht, die von den Augen aufgenommenen visuellen Botschaften zu verarbeiten. Das Verstehen aller Informationen, die bei den Augen eingehen, kann bei manchen Menschen erschwert sein, da zu ihrer Verarbeitung viele Bereiche des Gehirns zusammenarbeiten müssen. Aus diesem Grund stellt das Verstehen der visuellen Informationen für viele Menschen eine große Herausforderung dar.

Und schließlich bedarf es für die effektive Nutzung des Sehsystems einer Motivation. Es erfordert viel Arbeit, (1) zu bestimmen, welche Elemente und Ausschnitte aus dem riesigen Bereich visueller Bilder, die ständig auf uns einstürmen, betrachtet werden sollen, und (2) die Bewegung der Augenmuskeln in der richtigen Richtung zu koordinieren, Objekte zu verfolgen oder Bilder zu überfliegen. Entscheidend für die Motivation wiederum ist der Wunsch, von der Umgebung zu lernen und sozial mit ihr zu interagieren.

Das Verstehen visueller Informationen

Einige Menschen mit CdLS zeigen ein Sehverhalten ähnlich dem von Menschen mit der Diagnose einer kortikalen/zerebralen visuellen Wahrnehmungsstörung (CVI). Die CVI ist eine Behinderung, die aufgrund einer erworbenen Hirnschädigung oder noch während der Entwicklung des Gehirns im Mutterleib entstehen kann. CVI wirkt sich auf die Verarbeitung der visuellen Informationen aus, die von den Augen aufgenommen werden. Bei vielen Menschen mit CVI kann die funktionale Nutzung ihrer Sehkraft stark schwanken, nicht nur von Tag zu Tag, sondern auch von Minute zu Minute.

Menschen mit CVI neigen außerdem zu einigen oder vielen der folgenden Verhaltensmerkmale (wobei nur sehr wenige alle diese Merkmale zeigen):

  • Große Unterschiede darin, wie sie ihre Augen nutzen – im einen Augenblick zeigen sie visuelle Aufmerksamkeit, im nächsten Moment erscheinen sie abwesend und starren vermeintlich ins Leere.
  • Die Neigung, eher das periphere Sichtfeld als das zentrale Sichtfeld zu nutzen. Die Mittellinie ist nur selten die bevorzugte Blickrichtung.
  • Begrenzte visuelle Aufmerksamkeit und das scheinbare Fehlen visueller Neugier hinsichtlich ihrer Umgebung. 
  • Große Schwierigkeiten, sich zu Informationszwecken eine unübersichtliche oder komplexe Anzeige oder Darstellung anzusehen.
  • Die Neigung, sich dem oder den betrachteten Objekten besonders zu nähern, um entweder das Bild zu vergrößern oder auch die Komplexität dessen zu verringern, was sie betrachten möchten.
  • Die Neigung zu Lichtempfindlichkeit und/oder Neigung, in Lichter zu starren. Einzelne starren auch trotz ihrer Lichtempfindlichkeit in Licht hinein.
  • Die Neigung, beim Greifen nach einem Gegenstand von diesem Gegenstand wegzusehen.
  • Das Vermeiden, ein menschliches Gesicht zu sehen oder direkt anzusehen, oder
  • Vermeiden, nur einen Teil des Gesichts direkt anzusehen.
  • Schwierigkeiten, verschiedene Sinneseindrücke gleichzeitig zu verarbeiten und motorische Reaktionen zu planen oder umzusetzen; oft verlässt sich die Person zur Hilfe oder Information auf ihre anderen Sinne.
  • Mögliche Schwierigkeiten in der Tiefenwahrnehmung, die das zielgenaue Greifen nach Objekten und/oder die Mobilität beeinträchtigen können.
  • Vielen Menschen mit CVI fällt es schwer, den Entwicklungsschritt vom Erfassen dreidimensionaler Objekte hin zum Erfassen zweidimensionaler Strichzeichnungen oder Fotos zu vollziehen, wenn sie nicht Bild für Bild darin trainiert werden. Und auch dann kann es vielen schwerfallen, das Verständnis dieser Bilder auf unterschiedliche Umgebungen und Situationen zu übertragen.
  • Vielen von denen, die Druckschrift lesen können, kann es unterschiedlich schwerfallen, diese Schrift zu interpretieren. Oft benötigen sie eine größere und fettere Schrift, obwohl ihre Sehschärfe annähernd normal ist, und zeigen eine kurze Aufmerksamkeitsspanne beim Lesen von Druckmedien. Letztere ist auf die Sehermüdung zurückzuführen, die durch die Anstrengung entsteht, eine unübersichtliche Anzahl visueller Symbole zu betrachten und zu deuten. Der Hauptunterschied zwischen Lesenden mit CVI und Lesenden mit Lernbehinderungen besteht darin, dass bei Ersteren die Lesefähigkeit unbeständig ist. Im einen Moment kann die Person vielleicht gut lesen, im nächsten Moment kann sie überhaupt nicht lesen. Bei Lerneinschränkungen besteht eine höhere Beständigkeit in der Art ihrer Leseprobleme.
  • Schwierigkeiten, die Sehfähigkeit während eigener körperlicher Bewegung oder während einer Bewegung des Objekts einzusetzen. Einige haben dann Schwierigkeiten, wenn keine Bewegung vorhanden ist. Dies kann es ihnen erschweren, sich innerhalb einer Umgebung zu bewegen.
  • Schwierigkeiten, nur aufgrund des Sehsinns zwischen Menschen zu unterscheiden oder sie zu identifizieren. Stattdessen verlassen sie sich auf ihre anderen Sinne, um Informationen zu erhalten. Dieses Phänomen wird als Prosopagnosie oder, in der extremeren Form, als Gesichtsagnosie (Gesichtsblindheit) bezeichnet.

In Verbindung mit CVI kann auch eine Vielzahl anderer Merkmale bestehen, z. B. die Schwierigkeit, das vollständige Spektrum von Sprache zu verstehen, sei es die Sprache, die andere benutzen, oder die Sprache, die sie selbst verwenden. Diese Kommunikationsstörungen können so ausgeprägt sein, dass jemand nur den emotionalen und melodischen Aspekt von Sprache versteht, oder dass jemand zwar viel redet, aber erhebliche Schwierigkeiten hat, den sozialen Aspekt des verbalen Austauschs zu verstehen.

Die Auswirkungen der kortikalen/zerebralen visuellen Wahrnehmungsstörung (CVI) bei Schülern mit CdLS:

Eine primäre Auswirkung der CVI ist die Irritation, die bei Familien wie auch bei Pädagogen entsteht, welche mit dieser Störung nicht vertraut sind und nicht nachvollziehen können, wenn die Person kein oder nur gelegentlich ein offensichtliches visuelles Interesse zeigt. Noch größer wird ihre Irritation, wenn die medizinische Augenuntersuchung relativ normale Ergebnisse ergibt. Solche Schwankungen der Reaktion auf visuelle Reize können stark vom Grad der Ermüdung der Person abhängen, von ihrer Belastung, von Medikamenten, der Motivation für die jeweilige Aufgabe, von einander widerstreitenden Sinnesanforderungen, der Position und den motorischen Anforderungen einer Aufgabe. Zudem kann das Sehverhalten stark von körperlichen Beeinträchtigungen der Person, die ihre Sicht auf die Umgebung einschränken, oder gegebenenfalls von einem Anfallsleiden beeinflusst sein.

Eine weitere primäre Auswirkung der CVI, besonders beim Umgang mit Schülern mit CdLS, die nicht sprechen, ist die enorme Aufgabe, zu bestimmen, welche Art(en) von Kommunikationssystemen geeignet sein könntethumb_down. Dazu muss man wissen, dass die Verwendung von Strichzeichnungen (z. B. Mayer‐Johnson), von Fotos und/oder Vordrucken die Fähigkeit voraussetzt, abstrakte visuelle Symbole zu deuten. Und man muss sich unbedingt vor Augen halten, dass die Person, wenn sie etwas ansieht, nicht automatisch versteht, was sie sieht (selbst wenn sie eigentlich Interesse zeigt). Diese Unfähigkeit zu verstehen kann auf die geringe Erfahrung der Person mit entsprechenden visuellen Erfahrungen, auf ihren Kognitionsstatus, der für das Verstehen von zweidimensionalen abstrakten Darstellungen nicht ausreicht, oder auf eine Form der CVI zurückzuführen sein.

Bei der Planung, welche Art von Kommunikationssystem dem nicht sprechenden Schüler vorgestellt werden sollte, ist daher Folgendes zu berücksichtigen:

  • Zeigt der Schüler viele der oben beschriebenen Verhaltensweisen, die auf die Möglichkeit einer kortikalen/zerebralen visuellen Wahrnehmungsstörung hinweisen?
  • Zeigt der Schüler konsistent sein Wissen um die Funktion eines Objekts, und nimmt er immer die darauffolgende Aktivität voraus, indem er nur auf das Objekt sieht, das zentraler Bestandteil der Aktivität ist? Wenn der Schüler die dreidimensionale Welt (z. B. Objekte) schon nicht deuten kann, wie kann man von ihm erwarten, dass er die zweidimensionale Welt (z. B. Bilder, Strichzeichnungen) deutet?
  • Bevorzugt der Schüler Objekte für die Kommunikation, während er Bilder, Strichzeichnungen und/oder Kommunikationshilfen (für höhere Zwecke als Ursache und Wirkung) verwirft?

Zu guter Letzt ist zu sagen, dass die Diagnose einer CVI nicht auf Personen mit schweren und offensichtlichen physischen und/oder kognitiven Einschränkungen begrenzt ist. Auch betrifft die CVI nicht ausschließlich Personen, die nicht sprechen oder deren Sehschärfe in den Bereich einer Sehbehinderung fällt. Jüngere Forschungen haben gezeigt, dass CVI auch bei vielen Studenten mit normaler Mobilität und Sprechfähigkeit und mit nahezu normaler Sehschärfe eine „verborgene Behinderung“ darstellen kann. Die Diagnose einer CVI ohne Vorliegen eines fokalen Schlaganfalls ist nicht einfach. Zu den besten diagnostischen Methoden für die Feststellung einer CVI gehören die medizinische Augenuntersuchung sowie systematische Beobachtungen des funktionalen Sehverhaltens durch Familienangehörige und beteiligte Fachleute. Besonders hilfreich ist es, innerhalb des Diagnoseteams auch eine ausgebildete Lehrkraft für Sehbehinderte mit spezieller Schulung und Erfahrung in Bezug auf kortikale/zerebrale visuelle Wahrnehmungsstörung zu haben. Viele Schüler, ob mit oder ohne CdLS, haben schon visuelle Kommunikationssysteme erhalten, ohne dass dem eine geeignete und gründliche Beobachtung vorausgegangen war. Solche Entscheidungen können lebenslange Folgen für den schulischen, den kommunikativen und den sozialen Aspekt im Leben dieser Schüler haben.


Mary T. Morse, Ph.D.
Mary T. Morse, Ph.D.

Special Education Consultant, CdLS Foundation Clinical Advisory Board Member and CdLS World Federation Scientific Advisory Council

This article expands on the March/April 2005 article (on “CdLS and The Eye” written by Drs. Berger, Schloff and Schoedel, describing the implications of many structures of the eyes and various conditions common to persons who have CdLS) in regard to the educational, communication, and social aspects related to visual functioning. “CVI” or “cortical/cerebral visual impairment” is an often overlooked condition that affects many children with CdLS, impinging on not only their vision, but also their ability to learn and interact with their environment...

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Zuletzt geändert von Gerritjan Koekkoek am 2023/02/10 15:44
Erstellt von Gerritjan Koekkoek am 2015/01/04 23:00
In de übersetzt von Gerritjan Koekkoek am 2023/02/10 15:34

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        


  

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