FÖRDERBEDARF VON KINDERN MIT CdLS
Jedes Kind mit CdLS ist ein einzigartiger Mensch, der neben seiner Persönlichkeit auch ein komplexes Sortiment an Stärken und Schwierigkeiten mit sich trägt. Deshalb kann es nie ein einziges Programm geben, das optimal auf alle Kinder mit CdLS ausgerichtet ist. Ziel dieses Artikels ist es, Ihnen Leitideen an die Hand zu geben, die bei der Priorisierung der unterschiedlichen entwicklungsbezogenen, therapeutischen und schulischen Bedürfnisse von Kindern mit CdLS hilfreich sein können.
Wohlbefinden
Damit ein Kind überhaupt lernen kann, muss es gesund sein und sich wohl fühlen. Lange Zeit waren CdLS-Kinder für ihr selbstverletzendes Verhalten bekannt. Dieses konnte stark reduziert werden, nachdem Ärzte einmal die hohe Inzidenz von Reflux erkannt hatten und sie zu behandeln begannen. Erscheint ein Kind reizbar, besonders empfindlich für seine Umgebung oder scheint es sich unwohl zu fühlen, so müssen zuerst zugrundliegende medizinische Probleme, wie Reflux, schlechter Schlaf, Zahnschmerzen oder Verstopfung ausgeschlossen werden, um nur einige der Möglichkeiten zu nennen. Und auch wenn ein Kind mit CdLS zur verbalen Kommunikation in der Lage ist, heißt das noch nicht, dass es die Worte hat, um bestimmte Schmerzen zu beschreiben. Auch die Art, wie es Schmerzen wahrnimmt, kann anders sein: Kleine Reizungen können überwältigend sein, während schmerzhaftere Reize kaum registriert werden. Um also eine gute Gesundheit sicherzustellen, braucht es regelmäßige Arztbesuche, bei denen das Kind körperlich durchgecheckt wird und gegebenenfalls eine entsprechende medizinische Behandlung erhält.
Entwicklungsförderung
Die zweite Priorität betrifft die Entwicklungsförderung. Das bedeutet, sicherzustellen, dass grundlegende Fähigkeiten der Motorik, Kommunikation und Sozialisation angemessen gefördert und Fortschritte aufgezeichnet und verfolgt werden. Ohne die Grundfähigkeiten können sich auch fortgeschrittene Fähigkeiten nicht gut entwickeln. Wo die körperlichen oder kognitiven Einschränkungen eines Kindes das bereitwillige Erlernen einer Grundfähigkeit verhindern, kann man Wege gehen, um diesen Mangel an Fähigkeiten zu kompensieren, sodass weitere Fähigkeiten sich entwickeln können.
Haltungsstabilität
In der frühen Entwicklung beinhaltet die motorische Kontrolle eine Haltungsstabilität, die gewöhnlich im ersten Lebensjahr erworben wird. Haltungsstabilität ist notwendig, um Kopf und Hals zu stützen und bequem essen zu können, um die Hände für Objekte frei zu haben, die Grundstabilität für das Krabbeln und Laufen zu erhalten, Gesichtskontakt herzustellen und so zu kommunizieren und an der Gemeinschaft teilzuhaben. Die visuo-motorische Koordination (Auge-Hand-Koordination) und die feinmotorische Kontrolle sind unentbehrlich für den Umgang mit Spielzeug, für Alltagsfähigkeiten und für die Schreibentwicklung.
Ein stabiler Sitz mit einem Tablett davor kann eine schlechte Motorik ausgleichen, sodass das Kind weniger Energie nur dafür aufwenden muss, seinen Körper in Position zu halten. Angepasste Arbeitswerkzeuge und Spielzeuge können die Koordination für das Zeichnen, Essen oder Spielen erleichtern. Für ein Kind, das aufstehen und nach allem greifen kann, was es interessiert, eröffnet sich eine ganze Welt, die es erkunden kann. Kann es sich aber nicht fortbewegen und nach Objekten greifen, weil ihm z. B. Gliedmaßen fehlen, so muss man die Welt zum Kind bringen. Moderne Technologien haben bereits viele Türen für Kinder geöffnet, deren Mobilität eingeschränkt ist. Entscheidend ist es, Therapeuten mit dem Wissen und der Kreativität zu finden, die es hierfür braucht.
Kommunikation
Eine weitere Grundfertigkeit ist die Kommunikation. Diese braucht ein Kind nicht nur, damit seine Bedürfnisse erfüllt werden, sondern auch um seine Interessen, Gefühle, Erfahrungen, Hoffnungen und Träume mit anderen zu teilen. Später hilft Sprache dem Kind, Beziehungen zu anderen aufzubauen, Freundschaften zu erhalten und Probleme effektiv zu lösen.
Vielen Kindern mit CdLS fällt es schwer, effektiv mit anderen zu kommunizieren. In einigen Fällen liegt es daran, dass Sprache zu abstrakt ist und das Kind grundlegendere Kommunikationsmittel benötigt. In anderen Fällen hängt die Kommunikationsschwierigkeit mit einem Autismus zusammen, wo die Ursache in der eingeschränkten sozialen Interaktion liegt. Zu den Kommunikationsformen für Kinder, die keine Wörter verwenden können, gehören Objektauswahl, Fotos oder Abbildungen, einfache Gesten oder Gebärdensprache. Bei Kindern mit schwerer kognitiver Behinderung oder Autismus müssen diese Kommunikationsformen immer und immer wieder geübt werden, bis das Kind sie beherrscht.
Soziale Interaktion
Auch die soziale Interaktion ist unentbehrlich für das Lernen. Von Anfang an betrachten Säuglinge lieber Gesichter als Objekte. Im Alter von 12 bis 18 Monaten sind sie bereits erfahrene Beobachter, was das Verhalten von Menschen in ihrer Umgebung betrifft, und imitieren deren Verhalten. Sie übernehmen unsere Körperhaltung, Gestik, Stimmlage und auch unsere guten und schlechten Gewohnheiten. Wir stellen fest, dass sich unser Verhalten in ihrem Spiel widerspiegelt. Kinder achten auf unsere Stimmen und verbinden die gehörten Worte mit unserer Blickrichtung. Sie haben Spaß am Kuckuckspiel und am Hin- und Hergeben eines Balls – grundlegende Fähigkeiten für das Vor- und Zurückspielen und Abwechseln, was sich später zu sozialer Interaktion und Konversation weiterentwickelt.
Bei Kindern, die weniger Interesse an Menschen um sie herum zeigen, müssen Eltern und Therapeuten Aktivitäten finden, die zu sozialem Interesse und Kommunikation anregen. Das können Körperspiele sein, Rangeln, Kitzeln, Musik oder das Abwechseln bei einer geliebten Aktivität. Wenn das Kind z. B. gerne Prustgeräusche macht, prusten Sie, dann prustet das Kind, dann prusten Sie, immer abwechselnd, und das eine halbe Ewigkeit. Einem Kind, das stereotyp mit Spielzeugen spielt und Rollenspiele vermeidet, muss man zeigen, wie man richtig spielt. Bei Kindern, die an anderen Kindern ihres Alters kein Interesse zeigen, muss das Spiel mit Gleichaltrigen von außen her organisiert und gefördert werden.
Intervention und unterstützende Lernumgebung
Die letzte Priorität sind Interventionen und eine unterstützende Lernumgebung. Therapeuten müssen die Stärken des Kindes ermitteln und diese Stärken nutzen, um das Lernen zu optimieren. Sie müssen außerdem feststellen, wo Einschränkungen bestehen, um dem Kind zu helfen, für solche Mängel zu kompensieren oder sie zu mindern. Zur Kunst der Intervention gehört es, die Therapie anregend und fröhlich zu gestalten und sie zu einem Teil der täglichen Routine werden zu lassen.
Zu einer unterstützenden Umgebung gehört die Schaffung einer Struktur, die so ruhig und organisiert ist, dass das Kind seine Lernbereitschaft bestmöglich aufrechterhalten kann. Diese Struktur kann einen Zeitplan beinhalten, der getrennte Zeiten für Arbeit, das Spiel und Erholung sicherstellt. Zu einer solchen Umgebung kann auch gehören, dass man zum einen die Wohnbereiche so gestaltet, dass das Kind Zugang zu den benötigten Materialien hat, und zum anderen diejenigen Materialien unzugänglich macht, die die Aufmerksamkeit des Kindes von der gewünschten Aktivität weglenken würden.
Und schließlich gilt für therapeutische Interaktionen aller Art, bei der jeweiligen Aktivität das Ziel im Auge zu behalten. Wenn das Ziel das Hin- und Herspielen eines Balls ist, vergessen Sie die Körperhaltung. Auch wenn die Therapie ein Teil Ihres Lebens mit dem Kind ist, sollte sie keinesfalls Ihr Leben beherrschen. Ihr Kind braucht Zeit zum Ausruhen, so wie auch Sie selbst und ihre Familie. Nicht jede Aktivität muss fördernd sein, man darf auch einfach mal Spaß miteinander haben.